Buchtipp: Als ich aus der Zeit fiel (Jens Jüttner)

Buchtipp: Als ich aus der Zeit fiel (Jens Jüttner)

Heute anstatt einer ausführlichen Rezension mal ein kurzer Buchtipp von mir: „Als ich aus der Zeit fiel – Mein Weg durch die paranoide Schizophrenie“ von Jens Jüttner ist eine gelungene Mischung aus Schilderungen persönlicher Erlebnisse und Aufklärung über die Erkrankung. Sehr interessant fand ich vor allem die ebenfalls eingebrachte Perspektive der Angehörigen.

Jens Jüttner ist wie ich zertifizierter Genesungsbegleiter und anders als ich auch als Peerberater tätig und hält Vorträge.

Ich hatte mir das Buch gekauft, um mal zu sehen, wie ein Sachbuch aufgebaut ist, in dem persönliche Erfahrungen mit einer psychischen Erkrankung ansprechend verpackt werden. Hieran kann man sich auf jeden Fall ein Beispiel nehmen.

Ich gratuliere zu 5.000 verkauften Exemplaren!

Euer Ingo S. Anders

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Manie #diverserdonnerstag

Manie #diverserdonnerstag

Mit Manie diesmal mit einem eigenen Thema von mir. Für mich gehört die Manie durch meine bipolare Störung zu meinen Depressionen dazu, ebenso wie „psychotische Exazerbationen“. Ich habe also auch Psychoseerfahrung. Doch das wird später ein eigener Beitrag.

Die Wikipedia sagt dazu:

Eine Manie ist eine affektive Störung, die meist in Episoden verläuft. Antrieb, Stimmung und Aktivität befinden sich in einer Manie weit über dem Normalniveau.

Wikipedia

Das hört sich ja toll an, als könnte man sehr viel mehr leisten als andere, die nicht manisch sind? Weit gefehlt.

Persönliche Erfahrungen

Das Problem bestand für mich darin, dass ich mich nicht nur übernahm und überschätzte und die Erschöpfung immer größer wurde; mein Denken wurde auch mit der Zeit inkohärent – ich sprang so sehr von Hölzchen auf Stöckchen, dass mir niemand mehr folgen konnte.

In dieser Phase hatte ich schon Logorrhoe, ein mit „Sprechdurchfall“ treffend bezeichnetes Symptom, das beschreibt, dass die Menschen nicht mehr schweigen können, selbst wenn sie wollen. Das habe ich selbst mehrmals erlebt. Ich erinnere mich da an eine Situation, als ich mit einem Freund an der Elbe saß und er Ruhe wünschte, einfach gemeinsam mit mir schweigen wollte, was für mich beim besten Willen unmöglich war.

In der Manie verlor ich die Kontrolle

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Ableismus #diverserdonnerstag

Ableismus #diverserdonnerstag

Für Menschen mit Behinderung [externer Link] stellt Ableismus [externer Link] eine Form von Diskriminierung dar. Dabei wird eine Person auf die Merkmale reduziert, die sie vom vermeintlichen Normalzustand unterscheiden.

Vorübergehend benötigte ich Unterarmgehstützen und habe in dieser Zeit Erfahrungen gemacht, die ich in meinem Alltag normalerweise nicht mache, da ich eine nicht-sichtbare Behinderung habe.

Persönliche Erfahrungen

Beispiele für positive Diskriminierung

  • Im Bus machten sehr viele Leute unaufgefordert einen Sitzplatz frei.
  • Türen wurden mir aufgehalten, die ich sonst selbst öffnen muss.

Beispiele für negative Diskriminierung

  • Bei einem Arztbesuch aufgrund akuter Beschwerden wurde mir die Untersuchung verweigert mit der Begründung, das dauere mit den Krücken zu lange. Ich sollte später wiederkommen, wenn ich sie nicht mehr brauche.
  • In einer anderen Praxis wunderte man sich, warum ich diese überhaupt aufsuchte, da sie nicht barrierefrei erreichbar war. (Es war die ausgewiesene Vertretung meiner Hausarztpraxis.)
  • In einem Supermarkt wurde ich an der Kasse gefragt, ob ich nicht jemand anderen zum Einkaufen schicken könne.
  • Eine Frau im Bus wollte mich dazu nötigen, mich an ihr abzustützen, obwohl ich mich sehr gut an der Haltestange festhalten konnte.

Ich kann nur für mich sprechen und ich persönlich mag übergriffige Hilfsangebote gar nicht.
Wenn ich mit meinem Hackenporsche, in der anderen Hand einen unhandlichen Gegenstand, mit einer Tür kämpfe, gucken die Leute in der Regel auch nur untätig zu. Die wenigsten helfen. In solchen Situationen fände ich es eigentlich höflich, öfter mal einander die Tür aufzuhalten. Auch mit Kinderwagen, Koffern etc.
Weil es aber so ist, dass man einander üblicherweise nicht hilft, finde ich es diskriminierend, sobald ich auf Krücken gehe, mir die Fähigkeit abzusprechen, selbst eine Tür zu öffnen. Das, was ich noch alleine kann, möchte ich auch selbstständig tun dürfen.

Nicht-sichtbare Behinderung

Über meine Erfahrungen mit Depressionen hatte ich bereits berichtet, Artikel über Manie und Psychose werden folgen.
Bei nicht-sichtbaren Behinderungen ist es meiner Erfahrung nach für Außenstehende schwierig, diese zu fassen, weil man eben nichts sehen kann. Es scheint einfacher, sich vorzustellen und nachzuvollziehen, wie man wohl damit umginge, wenn man das eigene Knie vorübergehend nicht beugen darf und daher die oben erwähnten Unterarmgehstützen benötigt.

Beispiele für negative Diskriminierung

  • Ich wurde sowohl über- als auch unterfordert zu einem Zeitpunkt, als ich meine eigenen Bedürfnisse noch gar nicht benennen konnte, weil mein erster Kontakt mit der Psychiatrie, die (damals falsche) Diagnose ganz frisch war. Die einen behandelten mich wie ein rohes Ei, die anderen forderten, ich solle mich zusammenreißen; am Arbeitsplatz wies man mir keine Aufgaben mehr zu, um mich zu schonen. Ich saß also meine Zeit ab und litt furchtbar unter Selbstzweifeln und Grübeleien darüber, warum man mir plötzlich nichts mehr zutraute.
  • Bei Gesprächen, die in Unkenntnis meiner Erkrankung völlig akzeptiert waren, höre ich immer wieder: „Ich bin nicht dein Therapeut“ und „Du brauchst professionelle Hilfe.“ Es wurde gar nicht gesehen, dass ich die bereits in Anspruch nahm. Ich ging und gehe regelmäßig zu einer Psychiaterin, viele Jahre nutzte ich auch die Angebote der ambulanten Sozialtherapie (ASP), ich machte sogar eine Ausbildung zum zertifizierten Genesungsbegleiter (EX-IN). Vor allem aber nutzte ich die Zeit, um durch ausgiebige Selbstbeobachtung mit meiner Erkrankung leben zu lernen. Das ist meiner Meinung nach das Wichtigste bei einer chronischen Erkrankung. Denn es gibt kein Nachher, das so ist wie das Vorher. Insofern finde ich auch die Bezeichnung „Schnupfen im Kopf“ für psychiatrische Erkrankungen gefährlich bagatellisierend.

Beispiele für positive Diskriminierung

  • Unheimlich viele berichten von eigenen Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen oder von solchen aus dem engeren Umfeld, sobald ich meine offenbare.
  • Wenn ich Unzufriedenheit mit meiner Leistung, die hinter der von voll Berufstätigen in der Freizeit erbrachten zurückbleibt, ausdrücke, werde ich für meine dennoch gelobt. Selbst wenn ich mir ein neues, höheres Ziel suche, soll ich zufrieden sein mit dem, das ich bereits erreicht habe. Das begegnet mir ganz häufig, auch und gerade bei „professionellen“ Helfern. Warum darf ich mich nicht herausfordern?
Schwarze Schrift auf weißem Grund: #diverserdonnerstag Menschen mit Behinderung Als Behinderung bezeichnet man eine dauerhafte und gravierende Beeinträchtigung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Teilhabe einer Person. (Wikipedia) Unten rechts Ingos Markenzeichen: Vogel auf Schildkröte

Heute kann ich die Frage beantworten, wie ein Arbeitsplatz auf meine Bedürfnisse zugeschnitten sein muss, vor 9 Jahren konnte ich das nicht. Ich weiß, dass es nicht nur Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) gibt, sondern auch geschützte Arbeitsplätze, Inklusionsbetriebe und neben anderen Angeboten zur Teilhabe eben auch die Möglichkeit, im ersten Arbeitsmarkt zu arbeiten. Was ich nicht wusste: Um in einer WfbM zu arbeiten, muss man erstmal werkstattfähig sein. Das bin ich laut einer Untersuchung vor fünf Jahren, als ich eine solche Tätigkeit für mich in Betracht zog, noch nicht gewesen. Auf der anderen Seite kann ich durchaus einen Minijob auf dem ersten Arbeitsmarkt ausüben oder mich selbstständig machen.

Noch eine Bitte:
Wenn ihr euch im Gespräch mit mir überfordert fühlt, dann sagt das einfach, anstatt mich an ohnehin kaum verfügbare Therapeuten zu verweisen, die mir anders als meine Phasenprophylaxe nicht helfen können.

Umgang damit in meinen Geschichten

Ich mache mich nicht davon frei, selbst Vorurteilen aufgesessen zu sein, da Behinderungen so mannigfaltig sind, dass ich gar nicht alle kennen kann. Natürlich habe ich in einem meiner Entwürfe einen Rollstuhlfahrer drin, eben um Diversität reinzubringen. Genau das finde ich auf diese Weise nach Lektüre der anderen Beiträge zum #diverserdonnerstag mittlerweile falsch, da die Figur ansonsten keinerlei Funktion hat, sieht man von einer kleinen Statistenrolle ab. Deshalb werde ich diesen Aspekt streichen, da es in der Geschichte ansonsten nicht um Behinderungen geht. Ich würde einen solchen Exotenstatus für Menschen mit bipolarer Störung oder Trans*personen auch nicht wollen.

Was ich gemacht habe in Der Genesungsbegleiter: Ich habe den Figuren mit Depression und bipolarer Störung jeweils eine Hauptrolle gegönnt. So bleibt genug Raum, das Thema vielschichtig zu betrachten, auch wenn es sich um kein Sachbuch handelt. Man erlebt Mark und Lena in verschiedenen Situationen und bekommt so ein vollständigeres Bild, als seien sie nur irgendwo am Rande durchs Bild gehuscht. Trotzdem bleiben es einzelne Figuren, durch die möglicherweise bei den Leser:innen das Bild einer ganzen Personengruppe geprägt wird.

Ein Text von mir zum Thema „Leben mit Behinderung“ wird in einer Anthologie erscheinen. Noch warte ich auf den Autorenvertrag. Ich halte euch auf dem Laufenden.

Das sagen die anderen

Besonders empfehlen möchte ich den Blogartikel von amaliazeichnerin [externer Link].

Save the date

Am 5. Mai ist Europäischer Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung [externer Link].

Der Hashtag #diverserdonnerstag wurde ins Leben gerufen von equalwritesde.

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