SGZ 73 MOOR

SGZ 73 MOOR

Holzstege führten durch das Moor, damit die Besucher nicht in Gefahr gerieten. Um die dort lebenden Tiere nicht zu stören, sollten diese Wege nur bei Tageslicht begangen werden.
Jens nahm keine Rücksicht darauf. Zu verlockend war es, während der Dunkelheit hinaus ins Moor zu gehen, seine Gerüche wahrzunehmen und der veränderten Geräuschkulisse zu lauschen, die nachts nicht von anderen Menschen überschallt wurde. Fast hätte er den Schatten übersehen, der kurz vor seinen Füßen über die Planken huschte: Eine Eidechse, die sich in den letzten Strahlen der Abenddämmerung auf den Weg in ein geeignetes Versteck machte.
Zeit, die Taschenlampe seines Handys einzuschalten, bevor es stockfinster wurde. Da, was war der Schemen dort drüben vor ihm? Ein leichter Schauer jagte ihm über den Rücken. Was für eine herrliche, gruselige Stimmung! Als er das Licht darauf richtete, entpuppte sich das geheimnisvolle Etwas als ein knorriger Baum. Kurz davor bog der Weg nach rechts ab. Gut zu wissen, damit Jens nicht daneben trat.
Nun schritt er nicht mehr so forsch aus. Der Kegel seiner Handylampe verlor sich in der Dunkelheit und schien schwächer zu werden. Den Blick auf das Display gerichtet, achtete er nicht mehr auf den Weg. Sein Fuß stieß an etwas und er stolperte. Das Handy entglitt seinen Fingern. Nein! Nur nicht ins Moor!
Bäuchlings robbte er dem schwachen Schein entgegen. Er hatte Glück. Mit ausgestrecktem Arm konnte er es gerade noch erreichen. Notdürftig wischte er Feuchtigkeit und Dreck an seinem Pullover ab. Über was zum Henker war Jens gestolpert? Entschlossen richtete er den nunmehr spärlich gewordenen Lichtschein seines empfindlichen elektronischen Geräts auf die dunkle Erhebung, die den Holzweg versperrte. Ein Körper, verrenkte Glieder. Leblose Augen eines bärtigen Mannes starrten ihn an. Der Hals war aufgeschlitzt, Blut sickerte durch die Planken ins Moor.
Jens begann zu schreien.

Wörter: 295

Fortsetzung: 074 SCHATTEN