SGZ 55 GLAS

SGZ 55 GLAS

Die Prüfung
»Und bring das Altglas weg«, hatte Uschi noch gesagt. Die Flaschen lagen noch im Kofferraum. Warum Alfred ausgerechnet jetzt daran denken musste, da der Coach ihnen eröffnet hatte, ihre nächste Prüfung bestehe darin, über Glas zu laufen. Ziemlich kleine Glasstücke zwar, aber es war immer noch Glas!
»Es ist wie über Sand oder Kieselsteine laufen«, sagte Timon. »Es ist nur in eurem Kopf.«
Nein, es lag da auf dem Boden vor ihnen. Es würde unter seinen Füßen sein, sich in die bloßen Sohlen schneiden.
»Ihr wart doch sicher mal beim Kneippen. Das ist auch etwas unangenehm. Das Wasser ist kalt, die Steine spürt man unangenehm unter dem Druck des eigenen Gewichts, aber hinterher fühlt man sich angenehm erfrischt.«
»Blutende Fußsohlen stelle ich mir aber nicht erfrischend vor«, knurrte Alfred zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Positiv denken«, wiederholte der Coach. »Stellt euch vor, wie ihr über einen Schotterweg geht. Etwa diese Größe haben die Scherben.«
»Wenn ich im Sommer über Schotter laufe, muss ich jedes einzelne Steinchen aus den Sandalen pulen.«
»Alfred, bitte. Das bringt die Gruppe jetzt nicht vorwärts.«
Es bringt die Gruppe nicht vorwärts. Natürlich bringt es die Gruppe nicht vorwärts, wenn einer gegen den Chef wettert, aber deine bekloppte Prüfung bringt mich nur ins Krankenhaus.
»Pst«, machte Viktor und winkte Alfred zu sich heran. »Schau dir mal die Scherben genauer an. Die sind abgeschliffen.«
»Das ist doch Beschiss!«
»Pst! Nicht so laut!«
»Ich lass mich doch nicht verarschen von diesem Möchtegern-Guru! Dem werd ichs zeigen!«
»Timo, du hast recht. Ich bin bereit. Du hast mich überzeugt. Ich stelle mir einen Spaziergang am Strand vor, bei Sonnenuntergang mit meiner Frau.«
»Sehr schön!«

»Das ist wirklich noch nie passiert«, sagte Timo zerknirscht.
»Ich habs dir ja gleich gesagt.« Alfred beobachtete, wie der Sanitäter ihm die Füße verband. »Glas wird aus Sand gemacht, aber über Glas und über Sand laufen ist nicht dasselbe. Überhaupt ist der Strand dazu gedacht, sich in die Sonne zu legen. Das kann ich jetzt die nächsten sechs Wochen zu Hause auf der Terrasse üben. Dazu fehlt mir nur der Cocktail.«

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