Am Telefon

Am Telefon

Erinnert ihr euch noch an Rosalinde und Heinz? Rosa hatte sich am Spülbecken mit dem Gedanken getragen, sich am Telefon etwas dazuzuverdienen. Ob sie es wohl jetzt tut?


»Rosa hier«, sagte sie fragend.

Sie strich sich die Schürze glatt und schüttelte den Kopf. »Nein, du willst nicht wissen, was ich anhabe.«

Rosa lachte herzhaft. »Nein, wirklich nicht.«

»Noch nicht sehr lange.«

Sie legte den Kopf schief und überlegte einen Augenblick. »Du bist mein elfter Kunde.«

»Erfahrung habe ich genug, glaub mir, mein Lieber.« Wieder dieses herzhafte Lachen.

»Oh, vielen Dank.« Sie senkte den Kopf, als wolle sie sich verneigen, schonte aber ihren Rücken.

Mit einem Finger kreiste sie über die Arbeitsplatte ihrer Küche. »Ich mag sehr gerne diese New York Cheesecakes. Essen sollte ich aber nicht zu viel davon. Die schlanke Linie, nicht wahr.«

»Du Charmeur! Nun ist aber gut, sonst wird Heinz noch eifersüchtig. Für wie viele Personen soll die Torte reichen?« Sie notierte sich die Zahl.

»Also gut, einmal gedeckter Apfelkuchen, eine Marzipantorte und einmal Schwarzwälder Kirsch.«

Rosa fiel bald das Telefon aus der Hand vor Lachen. Als sie sich wieder einkriegte, sagte sie bestimmt: »Nein, ich springe nicht aus der Torte. Und jetzt lass mich bitte mit deiner Frau sprechen.«

»Hallo, meine Liebe. Nein, dafür musst du dich doch nicht entschuldigen. Ich weiß ja, wie er ist.« Sie seufzte. »Heinz würde so was im Traum nicht einfallen.«

»Er hat sich gut wieder erholt. War schon nicht ohne, die Infektion. Aber Unkraut vergeht nicht, wie er immer sagt.«

Rosa setzte sich auf den Küchenstuhl. »Mit mir ist alles in Ordnung. Die üblichen Wehwehchen, ja.«

»Von den Kindern habe ich schon eine ganze Weile nichts gehört, leider. Aber keine Nachricht ist eine gute Nachricht. Wäre etwas passiert, hätte ich das schon längst gehört.«

»Kurz nach Neujahr. Und du?«

»Ach!«

»Das ist ja allerhand! Und, war das schlimm?«

»Ich musste ja nur damals in Quarantäne, ganz am Anfang, als ein Kollege meines Sohnes Kontakt zu einer infizierten Person hatte.«

»Ja, völlig übertrieben. Ich hab mich bis heute nicht angesteckt.«

»Oder nichts gemerkt.« Sie zuckte mit den Schultern. »Stimmt.«

»Okay, dann lass uns bitte noch mal die Bestellung abgleichen.« Mit der Lesebrille auf der Nase prüfte Rosa die Notizen und beendete dann das Gespräch.


Entstanden bei der Übung 7-14-7 im Schreib-Forum. Bei dieser Übung sollte diesmal ein Text mit einem Telefonat entstehen, bei dem nur eine Seite des Dialogs gezeigt wird, dem man aber trotzdem folgen können sollte.

Am Spülbecken

Am Spülbecken

Mit einem wohligen Seufzer legte Rosalinde ihre Lektüre beiseite. Stroh auf dem Heuboden war so wunderbar prickelnd geschrieben, dass sie auch dieses Buch ihrer Lieblingsautorin ihrem Heinz in letzter Zeit vorgezogen hatte. Doch jetzt war es an der Zeit, aufzustehen. Es war schon später Nachmittag und in der Küche stapelte sich das schmutzige Geschirr der letzten drei Tage. Ächzend erhob sie sich und schlurfte in die Küche.
Sag mir was Schmutziges, dachte sie und grinste schief. Auf die Küche traf das ganz eindeutig zu. Also stapelte sie die Teller, legte das Besteck in eine der Schüsseln und ließ Wasser ins Spülbecken ein.
Gerade hatte sie den Topf abgewaschen und beiseitegestellt, da klingelte ihr Handy. Sie trocknete sich die Hände ab, nahm den Anruf entgegen und stellte das Telefon auf Lautsprecher.
»Rosalinde?«
»Ja, Heinz?«
»Ich bin im Laden, aber sie haben die Butter nicht, die du haben wolltest.«
Sie tauchte einen Teller ins Wasser.
»Bist du in der Badewanne?«, fragte er.
Sie lachte. »Heinz! Aber klar doch. Ich liege hier nackt, plansche ein bisschen und warte nur auf deine Rückkehr.«
»Welche Butter soll ich denn jetzt mitbringen? Oder Margarine? Die haben sie auch.«
»Du kannst Massageöl mitbringen.« Sie kicherte.
»Für den Kuchen?«
Vor Lachen ließ sie beinahe den Teller fallen. »Nein, natürlich nicht für den Kuchen.«
»Heinz, ob Butter oder Margarine ist egal. Du kannst auch Hausmarke nehmen. Jetzt, wo alles so teuer ist. Aber den Geburtstagskuchen bekommt unser Enkelkind.«
»Danke, meine Lotusblüte. Dann noch viel Spaß beim Baden.«
»Bis gleich, mein wilder Hengst.«
Rosalinde schüttelte den Kopf und fragte sich, ob wohl auch ein fremder Mann beim Plätschern des Spülwassers sofort an eine nackte Frau in der Badewanne denken würde. Vielleicht, dachte sie, sollte sie sich ein Beispiel an der Heldin aus Stroh auf dem Heuboden nehmen und sich mit dem Telefon ein kleines Zubrot verdienen. Genug Fantasie hatte sie auf jeden Fall und Spaß machen würde es sicher auch.

Nachdem Heinz sein Fahrrad abgestellt und die Einkäufe ausgepackt und verräumt hatte, fand er seine Frau in der Badewanne liegend vor.


Entstanden beim Schreiben gegen die Zeit im Schreib-Forum.

Der Brotjob gehört zum Autor wie …

Der Brotjob gehört zum Autor wie …

der Leser zum Buch. Einen Brotjob muss freilich nicht jede:r Autor:in haben, viele aber schreiben nebenberuflich und träumen noch davon, eines Tages genug Geld mit den Büchern zu verdienen, dass sie sich voll und ganz darauf konzentrieren können. Viele machen sich dann ganz selbstständig und ergänzen ihr Einkommen durch buchnahe Tätigkeiten wie Lektorat, Korrektorat, Sensitivityreading und Coaching.

Ich gehe den umgekehrten Weg, denn ich hatte ja die letzten Jahre als Erwerbsminderungsrentner den lieben langen Tag Zeit für das Schreiben. Und zwar nur für das Schreiben (okay: und Arzttermine) – bis ich mit Tobaksplitter mein erstes Buch veröffentlichte. Denn dann ging es los mit dem Marketing und der Buchhaltung, der Organisation von Lesungen (okay: einer Lesung), der ständigen Präsenz in den Sozialen Medien (okay: erst mal nur Instagram) und der Notwendigkeit, das alles irgendwie zu erledigen und trotzdem noch Zeit und Muße fürs Schreiben zu finden.
Wie viel andere bei Insta machen und wie häufig andere einen neuen Roman auf den Markt bringen, hat mir gezeigt, dass ich da nie und nimmer mithalten kann. Mit Verlag oder ohne, ich werde stets eine Randerscheinung bleiben. Da ich überwiegend über Nischenthemen schreibe, macht das ja auch nichts, solange ich nur genug Sichtbarkeit bekomme, damit die potentiellen Käufer:innen auch vom Buch erfahren. Doch woher nehmen wenn nicht noch mehr investieren?

Der andere, für mich persönlich viel wichtigere Aspekt ist, dass ich überhaupt keine Energie und auch keine Lust, oft nicht mal die Zeit hatte, etwas zu schreiben. Nicht Kurzgeschichten, erst recht nicht am Roman. Dabei wollte ich mir doch genau dafür eine Präsenz aufbauen: damit ich schon eine Fanbase habe, wenn mein Roman dann mal rauskommt … irgendwann.
Außerdem stellte ich fest, dass ich Tages- und Wochenstruktur brauche. Es ist zwar verlockend, sich einfach ins Bett legen zu können, wenn man erschöpft oder müde ist, aber es zieht auch die Stimmung runter, wenn man unterm Strich zu viel schläft.
Auf der anderen Seite mache ich mir immer noch Sorgen, wenn ich voller Freude nachts schreibe, dass ich gerade in eine Hypomanie rauschen könnte …

Deshalb und auch weil ich mich nach Anleitung und konkreten Aufgabenstellungen sehne, will ich wieder in bezahlte nichtselbständige Arbeit. Auf dem Weg bin ich seit Januar letzten Jahres, seit Oktober habe ich eine Jobcoach, mit der ich zweimal die Woche Sitzungen hatte.
Und am Dienstag geht es dann mit der Arbeitserprobung los. Erst mal drei Stunden einmal in der Woche. Heute war ich beim Vorgespräch.
Parallel dazu werde ich an einen Kurs teilnehmen mit dem Oberthema Kommunikation. Ich bin gespannt auf Austausch zu den Themen Verhaltensstile im Kritikgespräch, Konzentration und Selbstsicherheit. Vor allem Selbstsicherheit brauche ich.
Wenn ich Glück habe, bin ich ab Mai in der Ergotherapiepraxis meiner Wahl beim Gruppentraining Sozialer Kompetenzen dabei – da entscheidet das Los im April.

Heute habe ich also meinen neuen Arbeitsplatz kennengelernt.
Das Vorgespräch war ganz angenehm und diesmal habe bei der offen gestellten Frage „Erzählen Sie mal etwas über sich“ keinen Blackout gehabt. Ganz simpel kurz die wichtigsten beruflichen Stationen abgehandelt, ohne zu hetzen oder mich zu verhaspeln – so sollte es mal in einem Bewerbungsgespräch laufen.
Der Raum, in dem ich arbeiten werde, bietet drei Computer-Arbeitsplätze, die aber nachmittags (In meiner Welt fängt der Nachmittag um 14 Uhr an, aber dort muss ich um 12:30 schon anfangen.) alle frei sind. Das heißt: Quasi Einzelbüro. Mobiliar stört mich ja nicht. Und es gibt kein Telefon am Platz. Das bedeutet, ich bin auch davon erst mal verschont. Wohl habe ich aber die Möglichkeit, später mal Telefonieren zu üben, wenn ich das unbedingt will. Einzelne Anrufe kann ich an bestimmten Arbeitsplätzen erledigen, aber üblicherweise sollte das gar nicht notwendig werden.
Zunächst geht es aber nur um die Überprüfung, ob ich den Rahmenbedingungen da draußen wieder gewachsen bin. Regelmäßig zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort aufschlagen. Krankmelden, wenn es mir nicht gut geht. Einfache Aufgaben wie etwa Adressrecherche erledigen, Kommunikation mit den Ansprechpartnerinnen. Und weiteres erfahre ich dann am Dienstag.

Das Schreiben macht als Hobby so unglaublich viel Spaß. Es fühlt sich anders an, wenn es nicht in Arbeit ausartet. Wenn ich es nicht tun muss, um etwas zu erreichen, sondern tun darf, weil ich die Möglichkeit dazu habe. Das ist nicht gleichzusetzen mit minderer Qualität! Ich habe dann einfach nur nicht diesen Zeit- und Erfolgsdruck, den ich habe, wenn ich von mir erwarte, kostendeckend zu arbeiten. Das klappt einfach nicht in jedem Jahr, schon gar nicht am Anfang. Nach dem, was ich inzwischen so mitbekommen habe, liege ich mit den Verkaufszahlen auch gar nicht so schlecht, wie ich das gedacht hatte.

Wenn ich dann also das nächste Mal eine Deadline verbaselt habe, kann ich sagen: Musste arbeiten.
Auf Arbeit als Ausrede freue ich mich so richtig!

Euer Ingo S. Anders

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Vom Weihnachtsfloh und kurzen Geschichten für die großen Kinder

Vom Weihnachtsfloh und kurzen Geschichten für die großen Kinder

Da den Auftakt eine umfangreiche Weihnachtsgeschichte bildet, passt das Video auch gut zu Nikolaus. Die folgenden Geschichten sind nicht unbedingt für Kinder geeignet. Schließlich sollte es ja gruselig sein. Besonders gruselig finde ich allerdings meine Stimme. -.-

15:08 Mario Bartling – Der kleine Floh
53:08 Ingo S. Anders – Für immer
1:03:23 Alexander Hörl – Tränen eines Monsters
1:26:30 Ingo S. Anders – Irre gesund
1:36:26 Grit Stange – Gefangen
1:56:09 Ingo S. Anders – Herr Otto Mayer
1:59:34 Ingo S. Anders – Tschüss.

Vielen Dank an die Brennenden Buchstaben, an Kueperpunk Korhonen für die Moderation und Barlok Barbosa für die Kulissen sowie an das Publikum „vor Ort“.  Es hat großen Spaß gemacht, live dabei zu sein!