
Das vierbeinige Tier
Noch nie hatte ich mit einem Mann getanzt. Bisher hatte ich nur Frauen geführt. Genau genommen nur eine, meine beste Freundin, in dem Tanzkurs, den wir zusammen besuchten.
Und jetzt hatte ich mich auf einer Milonga auffordern lassen von einem, den ich kaum kannte. Ich wusste nur, dass er unheimlich gut aussah und mir in seiner Gegenwart die Knie weich wurden. Beim Schwimmen hatte das nichts ausgemacht, doch beim Tanzen war das etwas anderes. Wer von uns sollte denn jetzt führen? Und was, wenn ich nicht führte – ich beherrschte doch nur den Herrenpart!
Als er mich an sich heranzog, stellte ich fest, dass er nicht nur gut duftete, sondern mir offenbar auch die Entscheidung abgenommen hatte: Er führte mich.
Entspann dich! Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf seine Signale. Bald stellte ich fest, dass er entschlossen, aber nicht hartnäckig war. Sein Herz schlug ruhiger als meins, das vor Aufregung vibrierte. Schnell fanden wir einen Draht zueinander und ich konnte mich in die Musik fallen lassen, geborgen in seinen Armen. Als er dann auch schwitzte, schämte ich mich nicht mehr, dass mir die Klamotten am Leib klebten. Wir verschmolzen zu einem Wesen, das sich im Takt bewegte.
Nicht nach drei Tänzen, erst am Ende des Abends trennten wir uns.
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