
Der schreibende Schusterjunge
»Dieser Hallodri ist kein Umgang für dich. In seiner Gesellschaft kommst du nur auf dumme Gedanken!«
»Ernst ist mein bester Freund. Ich will auch Schriftsteller werden wie er!«
»Schriftsteller werden«, jaulte mein Vater. »Ich wusste doch, dass er dir nur Flausen in den Kopf setzt.«
»Tut er nicht!« Ich ließ die Schultern hängen. »Er sagt selbst, dass es eine brotlose Kunst ist und ich mich auf meine anderen Talente besinnen soll.« Ich richtete mich auf. »Aber ich will es. Ich muss einfach!« Noch vor wenigen Jahren hätte ich wohl mit dem Fuß aufgestampft, doch ich wusste, was sich gehörte.
Bereits seit einiger Zeit suchte ich die Gesellschaft der schreibenden Zunft. Nur bisher hatte ich nicht den Mut gefunden, meinem Vater die Stirn zu bieten. Ich hatte keinerlei Interesse daran, weiterhin die Schuhe fremder Leute zusammenzuflicken. In Armut leben würde ich so oder so. Dann wollte ich doch wenigstens meine Zeit so verbringen, wie es mir beliebte. Immerhin war ich alt genug.
»Also gut«, sagte mein Vater da, »wenn du es tun musst, dann musst du es tun. Sieh zu, dass du Land gewinnst, aber unter meinen Tisch stellst du deine Füße nicht mehr!«
So nahm ich also meinen Hut und hängte den Schusterkittel an den Nagel.
Ich ging durch eine harte Schule, weil ich von Beginn an sofort mein Auskommen mit dem Verfassen von Schriften bestreiten musste, nein wollte. Doch ich hatte auch das Glück, einen begnadeten Meister zu haben. Schnell lernte ich, es ihm gleichzutun, doch es dauerte, bis ich meine eigene Stimme gefunden hatte und endlich der Gesellschaft das sagen konnte, was ich zu sagen hatte.
Jetzt, da ich alt bin, kann ich nur jedem raten, es sich nicht zu früh mit dem Vater zu verscherzen. Es lässt sich auch mit einem anderen Handwerk Geld verdienen, während man in seiner freien Zeit dem Schreibhandwerk frönt. Papier ist geduldig, anders als ich es war.
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