Heute war ein guter Tag. Es hätte eine gute Woche werden können, hätte ich keine Termine gehabt. Immerhin hatte ich fast eine Woche ausreichend schlafen können und sogar überwiegend nachts. Das ist selten. Ich hatte gar nicht mehr damit gerechnet, dass es mir so bald wieder so gut gehen würde. Noch vor zwei Wochen hatte ich es nur zu Toilettengängen gerade so aus dem Bett geschafft. Nur mithilfe von Krücken hatte ich es überhaupt alleine ins Bad geschafft, unter starken Schmerzen. So schwach hatten meine Beine sich noch nie angefühlt und meine Krücken wackelten unter der Last meiner hundertfünfzig Kilo, für die sie eigentlich gar nicht ausgelegt sind. Richtig aufrichten konnte ich mich wegen des entzündeten Rückens überhaupt nicht mehr und ich legte auch gar keinen Wert darauf. Ich wollte mich nur erleichtern und dann zurück ins Bett, auf Schlaf hoffen und irgendwie diese Scheiße durchstehen. So schlimm war es zuvor noch nie gewesen und ich bekam es richtig mit der Angst zu tun. Was, wenn ich eines Tages nicht mehr ohne Hilfe aus dem Bett kam? Sobald ich meinen Schreibtisch wieder erreichen konnte, mailte ich meiner Ärztin und teilte ihr mit, dass ich mich nicht mehr alleine versorgen kann. Sie riet mir dazu, umgehend einen Antrag auf Pflegegrad zu stellen, und ich bat um ein Rezept für einen Elektrorollstuhl.
Weil heute ein guter Tag war, öffnete ich dem Herrn Fischer vom Sanitätshaus selbst die Tür. Ich konnte zwar das Haus nicht verlassen, aber Spaziergänge von zwei bis drei Minuten im Garten unternehmen, also auch den Briefkasten leeren und eben auch die Tür öffnen, wenn es klingelte. Nach kurzem Vorgeplänkel fragte mich Herr Fischer: »Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, einen Rollstuhl zu brauchen?«
ich melde mich heute außer der Reihe, weil ich darum gebeten worden bin, mich zu einem Thema zu äußern, das mir tatsächlich sehr am Herzen liegt. (Den Artikel habe ich ursprünglich für schreibmehr.online verfasst, aber warum nicht auch hier teilen?)
Allerdings hat es erst auf den zweiten Blick mit Schreiben zu tun. Nämlich dann, wenn es um die Freiheit geht. Um die Freiheit, so zu schreiben, wie man möchte, und über die Themen, die einen persönlich bewegen.
Mein Gefühl dazu ist Angst. Blanke Existenzangst. Ich muss allerdings etwas ausholen.
Das ist ein Teil meiner Lebenswelt, denn das ist das, was meine Eltern mir vorgelebt haben, die sich jung kennenlernten und 42 Jahre miteinander verheiratet waren, bis mein Vater an Krebs starb. Ein heteronormatives Leben, ein Bilderbuchleben mit Haus, zwei Autos, zwei Kindern und Hund.
Ich selbst lebte hetero, heiratete im Beisein meiner Familie meinen ersten Mann und alles schien gut. Es kam aus verschiedenen Gründen, die nichts mit meinem Geschlecht zu tun hatten, zur Scheidung.
Nach Geschlechtsangleichung schwul
Eines Tages hielt ich das Versteckspiel nicht mehr aus und offenbarte, dass ich mich zu einer Geschlechtsangleichung entschieden hatte, weil ich anders nicht weiterleben konnte.
Ich spare jetzt Details aus, relevant ist hier nur: Ich änderte meinen Vornamen und meinen Geschlechtseintrag.
Nun galt ich vor dem Gesetz als Mann und die medizinische Behandlung sorgte dafür, dass meine Mitmenschen mich heute auch als Mann erkennen können.
Das Ergebnis ist, dass ich jetzt als schwul gelesen werde. Ich fühle mich in der schwulen Szene auch willkommen, weil ich dort sehr herzlich aufgenommen wurde.
Bei meiner zweiten Heirat waren meine Eltern nicht dabei, weil sie meine Einladung ausgeschlagen haben. Mein Vater hatte sich die von mir geplante Hochzeit irgendweshalb als eine Art Drag Party – so wie man den CSD in den Nachrichten sieht – vorgestellt und wollte bei so etwas nicht dabei sein. Meine Mutter wollte ihm nicht in den Rücken fallen. Ich liebe meine Eltern und das meine ich nicht nur ironisch.
Jetzt wisst ihr, warum ich etwas zwischen den Stühlen sitze, weil ich mich tatsächlich dazu entschieden habe, nicht länger so zu tun, als sei ich eine Frau und damit bewusst alle Konsequenzen eingegangen bin, die damit verbunden sind, als Mann Männer zu lieben. Andere schwule Männer haben diese Wahlmöglichkeit nicht.
Trans* Menschen haben aber auch nicht wirklich eine Wahl. Man sucht sich nicht aus, aus der Rolle zu fallen. Es ist keine Lifestyle-Frage. Es geht ums Überleben.
Meine Meinung als mehrfach marginalisierter weißer Deutscher zur gegenwärtigen politischen Lage
Well, ich bin also ein herzschwacher schwuler behinderter pflegebedürftiger Rollstuhlfahrer, der trans* ist und sich zu den Tönen aus Amerika äußern soll, von denen er nur in groben Zügen was mitgekriegt hat, weil er son Mist nicht verträgt.
Ok, aber gerne: • Ich finds kacke, wenn trans* Frauen vom Sport ausgeschlossen werden, nur weil sie trans* sind oder – schlimmer noch – man ihnen ihr Frausein aberkennt und sie als Männer darstellt. Selbstredend gefällt mir auch nicht, wenn trans* Männer vom Sport ausgeschlossen werden, weil sie trans* sind. Hier kann ich aber nachvollziehen, dass cis Frauen nicht gegen trans* Männer antreten möchten, schließlich gilt Testosteron als Doping. Bei trans* Frauen verhält es sich jedoch umgekehrt; durch die Umstellung auf Östrogen sind sie cis Männern gegenüber benachteiligt und hier verstehe ich nicht, warum sie nicht mit cis Frauen zusammen antreten dürfen sollten. • Ich finde TERFs kacke, auch Schriftstellerinnen. Ihr wisst vielleicht, wen ich meine.
Und zu Deutschland: • Ich finde es kacke, dass drei Parteien für den Bundestag kandidieren, die sich ins Wahlprogramm geschrieben haben, das SBGG abschaffen zu wollen. • Ich finds kacke, dass es zwei Parteien gibt, die das sogenannte »Gendern« verbieten wollen. • Ich finds schade, dass es nur zwei Parteien gibt, denen bewusst ist, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt – auch wenn ich persönlich mich als eindeutig männlich identifiziere, also binär bin. Wenns nur nach mir ginge, bräuchten wir nur zwei Geschlechter, aber ich bin eben nicht alleine auf der Welt. • Ich finde es kacke, dass es eine Partei gibt, die es ernsthaft begrüßt und straffrei stellen will, wenn Menschen permanent misgendert werden. • Auch wenn ich persönlich nie eine Straftat begangen habe, finde ich es genauso daneben, Straftätern ihr Recht auf korrekte Anrede absprechen zu wollen. • Ich finds kacke, wenn Gelder für LGBTIQ+-Projekte zusammengekürzt oder sogar gestrichen werden.
Bitte entschuldigt die vielen Wortwiederholungen, aber bei Schimpfwörtern bin ich nicht besonders einfallsreich, weil ich sie normalerweise nicht brauche.
Ich blicke in andere Länder mit Sorge
Wenn ich in andere Länder schaue, dann macht mir das Angst, wenn ich sehe, in wie vielen Ländern man mittlerweile bedroht ist, wenn man nicht ins heteronormative Konzept passt.
In 63 Staaten wird Homosexualität noch strafrechtlich verfolgt, in 12 Ländern droht sogar die Todesstrafe für Lesben und Schwule.
Die USA sind für die Weltpolitik nach wie vor sehr prägend. Natürlich hat das einen schlechten Einfluss auf die anderen Länder, wenn dort die Republikaner an der Macht sind. Aber auch in Europa gibt es zunehmend Länder, in denen sich die Rechtslage zuungunsten der queeren Community verändert.
Wie es in Deutschland weitergeht, werden wir nach der nächsten Bundestagswahl erleben. Ich bin hier geboren, ich bin nicht reisefähig, ich bin auf die medizinische Behandlung hier angewiesen. Ich kann nirgendwohin. Aber um mich selbst geht es mir schon lange nicht mehr.
Bitte geht wählen!
Morgen ist ein bundesweiter Aktionstag zum Thema. Ich habe mir eine Begleitperson organisiert, um in Hamburg zusammen mit der queeren Community für unsere Demokratie zu kämpfen. Das wird mich noch mehr Schmerzen und Tage bis Wochen im Bett kosten, eventuell sogar eine bleibende Zustandsverschlechterung, aber das ist es mir wert. Hier ist eine Liste, welche Demos es wo gibt: https://www.waehl-liebe.de/demonstrationen/
Ihr müsst nicht auf die Straße, ihr müsst nur am 23. Februar 25 euer Kreuz richtig setzen, wenn ihr die Demokratie behalten wollt. Wer nicht wählen geht, wählt, seine Freiheit aufzugeben.
Bildhinweis: Das Beitragsbild „Bookies gegen rechts“ stammt von der Webseite https://silbenflug.de/bookiesgegenrechts und steht nicht im direkten Zusammenhang mit der Bundestagswahl.
Nachdem ich ein halbes Jahr meinen ganz persönlichen Lockdown „genossen“ habe, während dem ich viel im Bett lag, war ich gestern mit meinem Rolli zu meiner ersten Ausfahrt unterwegs, die man wirklich unter Freizeit verbuchen kann. Alles andere waren Arzttermine oder Probefahrten im Nahbereich zum Friseur oder ins Einkaufszentrum. Natürlich war ich nach den anderthalb Stunden so erschossen, dass ich mich bis zum Abend hinlegen musste. Aber es hat sich gelohnt, ich bin froh um die Erfahrung.
Neujahr 2024 war ich das letzte Mal am Außenmühlenteich. Ich schwitzte Blut und Wasser, aber ich schaffte es, mit der Gruppe mitzuhalten und einmal um den See herum. Das sind von meiner Wohnung aus 4,5km, die man laut Google zu Fuß innerhalb von einer Stunde und 10 Minuten schaffen sollte. Wir wissen alle, Google berechnet das Tempo sehr sportlich …
Nachdem ich im letzten Jahr rapide abgebaut hatte, vor allem ab Juli, als ich anfing, Sport zu machen, um abzunehmen, schaffe ich derzeit so 200-300 Meter und brauche dafür ne Viertelstunde. Dieses Jahr war nichts mit Neujahrsspaziergang. Aber so gar nicht. Nicht mal im Garten.
ich hatte darüber nachgedacht, ein zweites Blog aufzumachen, wo ich mein MIMIMI bzgl. meiner Malaisen lassen kann. In meiner Vorstellung war das natürlich total richtig aufwändig aufgebaut, statische Seiten mit Blog und ich wollte jede meiner chronischen Erkrankungen einmal kurz vorstellen, spätestens dann, wenn ich sie das erste Mal erwähne …
Bitte entschuldigen Sie die Verzögerung, meine Planung ist leergelaufen. ^^
Das vergangene Jahr lässt sich knapp zusammenfassen: Bis August liefs spitze, ich gab Gas ohne Ende und schien endlich nen Fuß in die Tür des Buchmarktes zu bekommen. Dann der Zusammenbruch und es ging gar nichts mehr. Wer einen Blick auf die Webseite wirft, siehts schon an den Tickern in der Sidebar: Pflegefall, Warten auf Rollstuhl seit bald 4 Monaten. Gefühlt seit August, was gefühlt ein halbes Jahr her ist, also schon ewig. Habe mal einfach das Norovirus von 2015 als Erkrankungsbeginn von ME/CFS festgelegt. So genau weiß man das nicht, aber da fings an, dass ich körperlich so krass abgebaut hab und ständig erschöpft war. Kognitiv war das schon 2012, also vllt. war der Auslöser auch die Sepsis, die ich nach der Mastek hatte. Ist aber egal, das Kind ist im Brunnen und jetzt hat es endlich einen Namen.
Meine Teilnahme an einer Schreibwettbewerb musste ich zurückziehen, weil ich nicht reisefähig bin und nicht bei der Preisverleihung hätte anwesend sein können, was aber zum Konzept gehörte.
An der Ausschreibung für Literatur zwischen den Jahren konnte ich diesmal nicht teilnehmen, weil ich kaum sprechen konnte.
Und mittlerweile rotiere ich, selbst Pflegekräfte zu finden, die ich komplett selbst bezahle, weils einfach nicht mehr ohne geht.