Mein Praktikum in der Bibliothek

Als ich von meinem Kurzurlaub in Bad Bederkesa berichtet hatte, hatte ich ja schon ausgeplauscht, dass ich mit einem Praktikum in einer Bibliothek anfangen will. Was mit Büüüchern!
Ich hatte mich wahnsinnig darauf gefreut, weil ich glaubte, hier nun endlich das richtige Arbeitsumfeld gefunden zu haben. In einer Bibliothek ist es ruhig. Möchte man meinen. Wie ich erfuhr, ist es in üblichen öffentlichen Bibliotheken, wo man auch Belletristik und sowas ausleihen kann, eher laut – verglichen mit wissenschaftlichen Bibliotheken. Also, liebe angehende Fachangestellte für Medien und Informationstechnik und Bibliothekar:innen: Wählt weise und wenn ihr Ruhe extra sucht, wählt eine wissenschaftliche Bibliothek. Die ist auch körperlich nicht ganz so anspruchsvoll wie die öffentlichen Bibliotheken. Man kann zwar keine Romane von zum Beispiel 1809 ausleihen, die die FaMIs dann im Keller aus dem Archiv holen müssen, aber man ist sehr viel mehr mit dem Einsortieren ausgeliehener Bücher beschäftigt.
Und, liebe Praktikant:innen, wenn ihr euren Praktikumszeitraum wählt, dann legt ihn nicht in einen Zeitraum, in dem im Haus Bauarbeiten stattfinden. Dann ist nämlich nix mit ruhige Arbeitsumgebung. Aber so gar nicht.

Aber mal von Anfang an und in aller Ausführlichkeit

Erster Tag war komplett Onboarding.
Erst das Gebäude mit der Verwaltung suchen, dann im angenehm kühlen Gebäude orientieren, dort den Vertrag unterschreiben. Weiter, wieder quer übers Gelände, zum Dienstausweis erstellen lassen. Leider ist knapp vor uns jemand mit einem dringenden Anliegenden eingeschert, was uns zwanzig Minuten Wartezeit im Stehen bescherte. Dafür hatte ich danach dann aber sitzend auch die Ruhe weg, auf meinem Handy rumzufummeln, um noch ein schickes Foto zu mailen, weil ich andernfalls – was noch länger gedauert hätte – ein Foto vor Ort hätte machen lassen müssen, auf dem ich unvorteilhaft verschwitzt ausgesehen hätte. Und das geht ja mal gar nicht.

Danach ging es weiter zu dem Herrn, der mir den Schlüssel für Aufzug und Türen anvertraute. Das ging fix, allerdings erst auf den zweiten Anlauf, als er anzutreffen war. Zwischendurch kurze Verschnaufpause im Sitzen, Glas Wasser. Etage rauf, Etage runter erspar ich euch. Da wurde ich mit dem Aufzug gefahren und anfangs fiel es mir schwer, mich zu orientieren, es sah auf den ersten Blick alles gleich aus. Aber da ich auch nur hinterhertrottete, war mir das auch erstmal einerlei, ich war mit Atmen eigentlich schon ausgelastet. ;) Meine Wadenmuskeln fühlten sich an wie damals nach dem Marathon, allerdings schon als ich das Klinikgelände vor Dienstbeginn betrat. (Seit April nehm ich schon Magnesium und von den Blutwerten her hab ich auch keinen Mangel, danke der Nachfrage.)
So. Also mit Schlüssel ins Büro an meinen Arbeitsplatz. Sitzen, juhu! Passwort, anmelden, okay, krieg ich hin.
Als nächstes erfolgte die Sicherheitsunterweisung. Wieder: Laufen durchs Gebäude, diesmal war es wichtig, beim Zuhören auch aufzupassen und sich alles zu merken. Zum Glück war das nicht mein erster Kontakt mit dem Thema Brandschutz, sodass ich das gut bewältigen konnte.
Danach durfte ich mich wieder hinsetzen und mir wurde die Struktur der Ordner erklärt, was wo zu finden ist. Mein Dienstplan war schon für drei Wochen geplant und mir wurde erklärt, wie meine Arbeitszeit (Di und Do je 3 Std.) zu verwalten ist. Das war auch das einzige, was ich an diesem Computer zu tun hatte.
Dann war eigentlich noch eine Führung durchs Gebäude geplant, aber meine drei Stunden waren schon um! Ich war ausnahmsweise mal froh drum, denn ich wusste echt, dass ich was getan hatte, ohne überhaupt gearbeitet zu haben.

Am zweiten Tag wurde das Onboarding also noch fortgeführt. Das bedeutet, ich wurde überall rumgeführt und allen Kolleg:innen vorgestellt, von denen ich viele schon am ersten Tag gesehen hatte. Ich wurde sehr herzlich aufgenommen und sehr positiv aufgefallen ist mir, dass die anwesenden Menschen auch beim gesprochenen Wort entgenderten, man hörte also bei Kolleg:innen die Lücke zwischen Kolleg und innen. Das hat dazu beigetragen, dass ich mich sehr willkommen fühlte.
Dann ging es gleich in den Service, d.h. ich habe vorne gesessen, wo es übrigens verstellbare Tische gibt, sodass man sich aussuchen kann, ob man im Sitzen oder im Stehen arbeiten möchte und man kann es auch im Sitzen auf die passende Höhe einstellen. Mir wurde dann die Software gezeigt, mit der gearbeitet wird und wir haben als erstes einen Ausweis für mich gemacht, damit ich auch Bücher ausleihen kann, weil das für alle Mitarbeiter:innen kostenlos ist.

Es ist gar nicht nötig, einen solchen Ausweis zu fälschen, weil man selbst dann einen Ausweis bekommen kann, wenn man nichts mit dem Universitätsleben zu tun hat. Allerdings sind dann leider nicht alle Titel verfügbar, die es als ebook gibt.
Als der Ausweis fertig war, habe ich natürlich erst mal ein Buch ausgeliehen. Um die Software kennenzulernen und um die Abläufe kennenzulernen. Das heißt, es ging natürlich in den Keller. In den Tiefkeller. Nach dem Aufzug geht es nur noch über eine Treppe weiter nach unten. Und da gibt es diese tollen Rollregale, die man manchmal in den Krimis sieht, wenn sie nach alten Akten suchen. Die Regale hier waren aber nicht deckenhoch. Und natürlich mussten wir sie rollen, weil ich schon eine ordentlich alte Schwarte ausgesucht habe, um eine Bestellung abwickeln zu können. Dieses arme Ding haben wir dann noch mit einem Sicherheitsetikett versehen – denn am Eingang ist so eine Piepsschranke am Ausgang wie in Geschäften, die dann losgeht, wenn man ein Buch mitnimmt, das nicht entsichert ist. Das Entsichern ist total kuhl: Dazu legt man das Buch einfach auf den Tisch und im Tisch ist ein Sensor, das funktioniert dann computermagisch. Und die Rückgabe ist fast noch toller, denn man stellt das Buch bei der Rückgabe einfach in ein Regal und das erkennt dann anhand des Chips, welches Buch es ist und es wird wieder gesichert.
Was noch im Rahmen des Onboarding-Prozesses fehlte, war die Schließfunktion des Dienstausweises, die für eine Tür relevant war. Da diese erst noch beantragt werden musste, zog sich dies etwas. Macht aber nichts, ich wurde ohnehin nahezu auf Schritt und Tritt begleitet, sodass stets jemand mit Schließberechtigung zur Hand war.

Am dritten Tag wurde es dann brenzlig.
Das Thema des Tages hieß Bücher rücken. Nicht Bücherrücken, sondern es drehte sich um das Rücken von Büchern. Zuerst bekam ich eine Privatführung durch die Bibliothek von der FaMI meines Vertrauens und ich erfuhr dabei, wie die Bibliothek grundsätzlich aufgebaut ist und genutzt wird. Oben Monographien, unten Lehrbücher. Unten angekommen fuhren wir mit dem internen Aufzug wieder nach oben. Und dann ging es mit einem immerhin trotz Semesterferienruhe knapp viertelvollen Bücherwagen los und die richtigen Stellen suchen, wo die Bücher hingehören. Die Signatur hatte ich inzwischen bereits lesen gelernt und meine FaMI war geduldig genug, mich selbst raten und mich dreimal im Kreis drehen zu lassen, bevor sie mir einen Tipp gegeben hat. Normalerweise macht man das an einem vollen Arbeitstag mehrmals nacheinander und, wenn man weiß, was wohin gehört, natürlich auch sehr viel schneller. Aber ich war ja zum Spielen da.
Als wir den leeren Wagen nach unten gebracht hatten und unten keine Bestellungen waren, sind wir noch mal nach oben gefahren, um die Bücher aus kosmetischen Gründen hübsch im Regal zurechtzurücken und natürlich auch deshalb, weil sie sich dann wohler fühlen. Und damit uns nicht so langweilig war. Ich war im Schweiße meines Angesichts mit anderthalb Regalen fertig – gebückt arbeiten geht wirklich überhaupt nicht – und betete für ein baldiges Ende, da wurde ich erhört in Form eines Feueralarms!
Das war keine Übung, also mussten wir sofort raus: Gehen Sie nicht ins Büro, holen Sie nicht Ihre Handtasche! Aber gebrannt hat es dann doch nicht, es war wie von den meisten erwartet ein Fehlalarm, der wohl im Zusammenhang mit den Bauarbeiten stand.
Wir fanden uns dann nach Nutzung des Treppenhauses nicht am verlegten, sondern am alten Fluchtzielpunkt wieder. Während sich erst die Polizei und dann die Feuerwehr näherten, transportierte ein Müllauto in aller Seelenruhe nacheinander zwei Container ab.
Auf den Schreck musste ich mich erst mal setzen und fand die Gelegenheit dazu auf einer Bank in der Nähe.

Zu einer Fortsetzung der Arbeitserprobung kam es leider nicht, weil ich danach sowas von erschöpft war, dass ich mich zwei Wochen krankschreiben lassen und mich dazu durchringen musste, das Praktikum abzubrechen, weil ich einfach körperlich völlig überfordert damit war. Das tut mir leid wegen all der lieben Menschen, die dort arbeiten. Ich wäre sehr gern länger Teil dieser Gemeinschaft gewesen.
Für mich steht jetzt wieder und mehr als je zuvor infrage, ob ich überhaupt noch arbeiten kann und wenn ja, wie und was.

Vorerst betätige ich mich weiter als Schriftsteller und ehrenamtlich, doch dazu später mehr.

Euer Ingo S. Anders

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