Mein erster Poetryslam war gar kein richtiger Slam mit Wettbewerb – gut so. Es gab, abgesehen von einem Blümchen für jeden, keinen Preis zu gewinnen. Dafür gab es aber auch keine Buhrufe, nur kräftig Applaus. Eigentlich die ideale Lesebühne, um sich das erste Mal zu versuchen. Ich hatte trotzdem Lampenfieber hoch zehn und musste den sich neu in mein Pillenschächtelchen hinzugesellten Blutdrucksenker gleich nachdosieren. Dazu auch das Bedarfsmedi, das ich bei Erregungszuständen nehmen darf.
Spoiler: Mein Kopf ist noch dran und habe mir auch nicht in die Hose gemacht, obwohl ich in der zweiten Hälfte nach der Pause wirklich dringend musste.

Das mit den Selfies übe ich noch. ^^
Natürlich habe ich mir für dieses Vorhaben einen Tag ausgesucht, an dem der ÖPNV bestreikt wurde. Regionalzüge und auch S-Bahnen waren betroffen. Auch am Nachmittag, nachdem der Streik offiziell beendet war, verkehrten die S-Bahnen nur eingeschränkt. Man sollte auf Busse und U-Bahnen ausweichen.

Also bin ich mal zwei Stunden vor Termin losgefahren, wo sonst eine Stunde gereicht hätte.
Spoiler: Ich bin angekommen und das sogar noch rechtzeitig. Ich sollte nämlich etwas vor sechs da sein und war um halb sechs vor Ort. Dank sorgfältiger Planung und einer sehr hilfreichen Wegbeschreibung. Ohne die hätte ich nicht gewusst, wie man aufs Schulgelände kommt und wo dort die Neue Aula ist.
Ich hatte die Bücher sicherheitshalber in Plastik verpackt – an einem durchweg sonnigen Tag.
Einmal nass gewordene Bücher scheuen den Regen …

Viel Zeit, mich auf den Ort einzustimmen, hatte ich allerdings nicht und auch an eine Entspannungsübung war nicht zu denken. Dafür habe ich meinen Büchertisch aufgebaut und noch rasch Aufwärmübungen für meine Stimme machen können, bevor es losging.

Zum Vorfühlen bin ich einmal kurz auf der Bühne gewesen, bevor das Publikum da war. Da blendete mich ein fieses, rotes Licht von vorne und ich sah kaum etwas. Dafür war es von hinten viel zu dunkel zum Lesen. Ich erkundigte mich, ob das so beabsichtigt sei. Hinten sollte es noch zusätzliche Scheinwerfer geben, aber das von vorne war Absicht. Wir sollten das Publikum nicht sehen können, vor allem aber sollte man uns sehen, wenn wir auf der Bühne stehen.
Als wäre ich nicht schon aufgeregt genug gewesen – und ich war nicht der einzige -, wurde es umso spannender, weil wir nicht wussten, in welcher Reihenfolge wir auftreten würden. Ich wusste nur, dass ich zweimal dran sein würde, je vor und nach der Pause.

Das bin ich bei meinem zweiten Auftritt. Ich habe in der ersten Hälfte meinen Eisbrecher Herr Otto Mayer aus Tobaksplitter gelesen und nach der Pause Der Automat aus Just Bunt.
Mir haben auf der Bühne wirklich richtiggehend die Knie geschlottert, das habe ich noch nie erlebt. Und ich weiß gar nicht, warum. Beim ersten Text dachte ich ja noch, ich wäre irgendwie fehl am Platz mit einem Text, der sich nicht reimt. Dabei war die Veranstaltung explizit als Lesebühne ausgewiesen. Ich war nur verwundert darüber, dass die anderen alle so poetisch waren und konnte nicht umhin, mich zu vergleichen.
Gerne hätte ich mein Programm noch besser performt, so wie ich es geübt hatte, aber ich bekam schlichtweg Angst, meine Beine würden mich dann gar nicht mehr tragen.
Dafür war meine Stimme großartig! Sicher auch deshalb, weil ich derzeit bei Juliane Jacobsen ein Stimmtraining absolviere. Ich habe mich einfach sicher gefühlt mit meiner Stimme und konnte entspannt in den Bauch atmen.
Ganz bestimmt habe ich zu wenig ins Publikum geschaut, weil das Licht so fies geblendet hat. Okay, die anderen hat das nicht so gestört …
Was ich noch herausarbeiten und üben sollte, ist das Betonen einzelner Wörter, was dem Text noch einmal deutlich mehr Ausdruck verleihen würde. Da kann ich mir bei den anderen Künstler:innen eine Scheibe abschneiden. Dafür war mir eine Woche Vorbereitungszeit aber schlichtweg zu kurz.

Der Büchertisch hatte gleich zwei Vorteile für mich:
1. Ich habe Bücher verkauft
2. Ich hatte einen Rückzugsort

Denn in der Pause wurde drinnen laute Musik gespielt und die Anwesenden ließen sich dennoch nicht davon abhalten, munter durcheinanderzuschnacken. Dieses Phänomen ist auch als Smalltalk bekannt und ich laufe da gerne davon.
Mein Tisch stand im Foyer, wo es a) kalt war und b) ruhig. Dort stand sonst nur der Tisch, an dem man Getränke und Kuchen erwerben konnte. Die beiden, die dort saßen, froren erbärmlich, weil sie die ganze Zeit dort bei offener Türe saßen. Dabei hatten sie netterweise einen Blick auf meinen Büchertisch.
Der Nachteil am Büchertisch war, dass ich beim Smalltalk nur so drei Minuten dabei war und nicht so gut Kontakte knüpfen konnte und auch sonst von der Kommunikation abgeschnitten war. Irgendwie schade.

Es war ein schöner, aber anstrengender Abend für mich und ich war froh, als ich dann zu Hause war und Feierabend machen konnte. Ich bin gerne wieder dabei.
Beitragsbild: QROOM+
Euer Ingo S. Anders

Meine Kunstadresse.
Folgt mir auch auf Instagram!
Gebt meiner Facebook-Seite ein Like!
Vernetzt euch mit mir bei storrie.de!