SGZ 94 HALT

SGZ 94 HALT

Musik gibt mir Halt.
Das ist so, seit ich denken kann. Ich hörte Musik zum Einschlafen, bis ich mein Bett teilte, und heute noch hat sie eine beruhigende Wirkung auf mich.
Es ist nicht lange her, da habe ich es in der S-Bahn, in der Innenstadt oder im Supermarkt nicht ausgehalten ohne schützende Kopfhörer mit entsprechender Verbindung zu meinem Handy, um mich einzulullen, von den vielen Stimmen und Geräuschen abzulenken.
Heute ist es in den Bahnen ruhig genug, sodass ich mich nicht mehr akustisch isolieren muss. Eine Wohltat. Die Welt ist endlich so, dass ich darin nicht zerbreche.
Doch weiterhin gibt mir die Musik Halt und tröstet beim gemeinsamen Singen via Videokonferenz über Einsamkeit hinweg.
Musik trägt mich durch schwere Zeiten hinweg. Auch durch diese.

Wörter: 125

SGZ 93 PLANUNG

SGZ 93 PLANUNG

»Planung ist alles«, sagte Sascha. »Wir gehen rein wie ganz normale Kunden und erst am Schalter halten wir der Schnalle die Knarre ins Gesicht. Die wird dann sich dann vor Angst ins Höschen machen und brav alles in unsere Tasche packen. Jeder stellt sich in einer Reihe an, so können sie sich nicht gegenseitig helfen.«
Florian und Kevin nickten.
»Und ich?«, fragte Mark.
»Du wartest draußen mit dem Auto. Den Motor machst du erst an, wenn du uns kommen siehst. Sonst ist das zu auffällig.«
»Okay.«

Der Plan ging schon schief, als sie die Bank betraten und einer der Schalter nicht mit einem kleinen Mäuschen, sondern mit einem Schrank von einem Mann besetzt war. Florian machte sich ins Höschen und der Hüne drückte lässig den Knopf.
Draußen diskutierte Mark mit einem Behinderten, der den Parkplatz beanspruchte, den der Depp gewählt hatte. Die Polente war schon im Anmarsch und das Auto war zugeparkt. Also nahmen sie die Beine in die Hand.
Just an diesem Tag fand der Stadtmarathon statt, was Sascha während seiner Recherchen eigentlich als Pluspunkt gesehen hatte, weil die Polizei damit beschäftigt war, Straßen abzuriegeln. Jetzt aber mussten sie laufen und fielen ohne Trikot mit ihrer Tüte in der Hand auf wie bunte Hunde.
Als das Feld durch war, errichteten die Bullen kurzerhand Sperren für die Läufer und hatten die grandiosen Vier somit im Sack.

Wörter: 226

SGZ 92 KETTEN

SGZ 92 KETTEN

Endlich wieder Zeit nur für uns zwei. Die Kinder waren beim Babysitter, dem wir gesagt hatten, wir gingen in ein Musical. Der monatliche Stammtisch war offiziell ein Discobesuch.
»Peitsch mich aus, leg mich in Ketten«, schmetterte ich eine Liedzeile mit. Mein Herr und Meister hatte eine besondere CD aufgelegt, um mich für den heutigen Abend in Stimmung zu bringen. Verstohlen befühlte ich den stählernen Ring um meinen Hals. Weiter unten zwickte und zwackte der String aus beweglichen Kettengliedern, aber das sollte er ja. Mehr trug ich unter meinem Kleid nicht. Ich würde es ohnehin an der Garderobe abgeben.
Die Fahrt verlief schweigend, da Stefan sich gern auf die Straße konzentrierte und so genoss ich die Aussicht und die Empfindungen meines Körpers sowie die Vorfreude auf das, was mir bevorstand. Meine Vorlieben kannte er gut, was nicht hieß, dass er sie mir jedes Mal erfüllte. Das machte es jedes Mal aufregend.
Angekommen im Etablissement, das wir heute besuchen wollten, hing ich bald wortwörtlich in Ketten, mit dem Blick zur Wand. So wusste ich nie wirklich, wessen Hände mich befühlten, schlugen, kitzelten. Doch wie so oft, passierte zunächst eine ganze Weile gar nichts. Ich hatte kein Zeitgefühl, wusste nur, dass er mich absichtlich meinem Kopfkino und meiner Vorfreude überließ.
»Iris, bist du bereit?«, fragte Stefan.
»Ja«, hauchte ich.
Dies wurde sofort geahndet.
»Ja, Herr!«, korrigierte ich mich selbstständig.
Dafür erntete ich Lob.

Auf dem Rückweg konnte ich kaum sitzen.

Wörter: 237

SGZ 91 LUFTBALLON + KRUMM + SCHÄUME (muss im Text stehen)

SGZ 91 LUFTBALLON + KRUMM + SCHÄUME (muss im Text stehen)

Vom krummen Luftballon, der nicht mit Rasierschaum eingeschäumt wird, um rasiert zu werden, oder Flips Träume
Der Luftballon war krumm wie eine Banane und auch genauso gelb. Sogar die Linien, an denen man eine Bananenschale üblicherweise teilt, sowie der Stiel waren aufgedruckt. Es war einer der hochwertigen aus dieser Silberfolie, die nach kurzer Zeit ohne weitere Beachtung unter der Zimmerdecke schweben und erst wieder interessant werden, sobald sie mangels Auftrieb absinken und schlapp geworden wieder in Greifhöhe des Kindes gelangen. Minnie wäre es auch egal gewesen, wäre es ein billigeres Exemplar gewesen. Hauptsache, ein Luftballon – der ihre Aufmerksamkeit ohnehin nur für wenige Minuten zu fesseln vermochte. Hätte sie ihn nicht gesehen, hätte sie ihn nicht haben wollen. Aber Opa kauft natürlich, für die zwei Minuten Freude.
Minnie war ein herzensgutes Kind, aber eben noch klein. Ruhig, sie quengelte nicht viel. Aber es war eben noch nicht viel mit ihr anzufangen. Keine gute Gesprächspartnerin. Es war auch anstrengend, ihre Hand zu halten und mich dabei zu verrenken. Aber natürlich konnte ich sie nicht allein gehen lassen, sie konnte ja gerade mal laufen.
Flip, der auf der anderen Seite ständig in irgendwelche Richtungen zerrte – er hatte die Ballons zuerst entdeckt – war das glatte Gegenteil und eine unermüdliche Quasselstrippe. Er fragte und fragte und fragte, bis ich meinte, die sprichwörtlichen Löcher im Bauch zu haben. Ich sah nach: Es waren keine da.
Mein Enkel weiß jedenfalls, warum die Banane krumm ist. Und es macht ihm einen Heidenspaß, mich das immer wieder zu fragen. Meistens mache ich ihm die Freude, es wieder und wieder zu erklären. Wenn ich keine Lust habe, dann sage ich einfach nur: »Darum.« Er kennt die Antwort ja und dann weiß er Bescheid, dass es mal gut wäre, eine Weile den Mund zu halten. Aber leider hält er das nicht lange durch. Dann erzählt er von seinen Träumen.
Was der Junge alles für Flausen im Kopp hat. Flip möchte mal auf den »Hümmaja« steigen, dann möchte er Astronaut werden und zum Mars fliegen oder besser noch zum Saturn, sich den Ring angucken. Das Kind macht sich einfach keine Vorstellung von der Entfernung. Im Fernsehen geht das ja alles. Das kann er noch nicht trennen. Auch »Schäumetester« wollte er werden. Er meinte Sommelier, wir hatten eine Sendung über Schaumweine gesehen. Er mag dieses Brausepulver, das es manchmal noch zu kaufen gibt. Dann verzieht er immer das Gesicht.
»Opa, weißt Du, was mein Traum ist?«
Ich sag dann meistens: »Träume sind Schäume
Und dann erzählt er. Jedes Mal was anderes. Heute hat er mich richtig erschreckt.
Flip sagte: »Ich will Müllmann werden. Wie du.«

Wörter: 432

SGZ 90 LAUSCHEN

SGZ 90 LAUSCHEN

Ich will wirklich nicht beklagen, doch ohne zu lauschen kann ich dich hören und fast zu jeder Tageszeit sagen, was du gerade tust. Du bedrängst mich mit deinem Lärm. Ob du deine Spülmaschine aus- und das Geschirr in den Schrank einräumst – ich höre das Klirren der Teller –, ob du den Fernseher mal wieder dreimal so laut stellst, weil du glaubst, ich höre dann nicht den Kurzfilm für Erwachsene, der auf dem anderen Gerät läuft und deine eigenen Lustlaute oder ob du einfach nur hustest oder mit einem Ächzen vom Sofa aufstehst. Ich höre alles! Und ich will es nicht hören!
Ich habe ein Recht auf akustische Privatsphäre.
Damit meine ich: Wenn die Wand so dünn ist wie Papier, dann hörst du ja auch mich. Oder bist du einer von denen, die mir dann im Treppenhaus ganz erstaunt sagen, dass sie nie wissen, ob ich überhaupt zu Hause bin? Ich bin es meistens, da ich zu Hause arbeite. Ich bin gerne drin, in meinen eigenen vier Wänden fühle ich mich wohl. Draußen ist doof. Da ist so viel von allem, das macht mich ganz fertig. Beim Einkaufen wird mir schlecht von all den Geräuschen, Gerüchen und der schreienden Werbung, den Remplern von den Lauten, den Unaufmerksamen. Nur, falls du das wirklich wissen und mir nicht nur mein Leisesein vorwerfen wolltest.
Ich weiß, dass ich nicht alleine bin. Es gibt sie, die anderen Leisen. Ich höre sie nicht, aber ich sehe sie. In der Fußgängerzone erkenne ich sie daran, dass sie den anderen Leuten ausweichen, bevor sie von denen überhaupt wahrgenommen wurden.
Wir sind unsichtbar für die anderen. Wir wären die optimalen Lauscher, aber so etwas zu tun widerstrebt uns zutiefst. Wir sind diskret.
Ich würde mich gerne öfter mit euch treffen, weil ihr mich nicht überfrachtet, ihr Leisen. Am liebsten würde ich mit euch zusammen in einem Büro sitzen, wo jeder in seinem eigenen Raum auf seine ihm eigene ruhige Art arbeitet. Wir wären bestimmt ein super Team!
Wir könnten natürlich schon irgendwie, uns umhören, ganz passiv. Was uns zugetragen wird, das ist ja nicht erlauscht. Und wenn dann jemand etwas fragt, dann ist das ja nicht gleich tratschen, oder? Aber dafür sollten wir dann Geld nehmen. Sonst kommen einfach zu viele und wollen wissen, wo der Frosch die Locken hat. Das können wir nicht riskieren, dass wir ausgenutzt werden.
Das Unternehmen nennen wir dann sicherheitshalber »Lausch-Ende« und nicht »Lauschende«. Nur, damit es keine Missverständnisse gibt.

Wörter: 403

Und hiermit verkünde ich: Über 25.000 Wörter gesamt!

Ich weiß, Quantität ist nicht Qualität, aber es ist ne hübsche, runde Zahl, die zeigt, was man mit nur einer Stunde Schreibzeit am Tag so alles schaffen kann – eine halbe Romanlänge. Lässt sich nicht 1:1 übertragen, gibt aber einen Anhaltspunkt, finde ich. Auf, zum Endspurt!

SGZ 89 LOCKEN

SGZ 89 LOCKEN

Ich schreibe ja noch nicht lange, beherrsche auch die Rechtschreibung nicht richtig und dennoch bin ich umworben von Verlagen, die mein Buch unbedingt drucken wollen. Mit dem Schreiben komme ich gar nicht hinterher! Aber sie haben Geduld – ich habe alle Zeit der Welt dafür.
Da mich verschiedene Verlage locken, kann ich mich gar nicht entscheiden, mit was ich zuerst anfangen soll: Liebesroman, Krimi, Thriller oder doch ein Kinderbuch? Wo ist da überhaupt der Unterschied? Krimi oder Thriller ist doch bestimmt so ziemlich das gleiche, wie auch Kinder-und Jugendbuch, nicht wahr? Ach egal, dafür ist doch das Lektorat da!

Just kidding!
Ich könnte etwas über Locken schreiben. Eine Killerin, die Männer mit Locken abmurkst. Oder ein Mann mit einer Lockenmodelkarriere, der sich in eine Friseurin verliebt. Und schon sind die Haare ab, schnipp-schnapp! Ende der Karriere.

Die Frau im gelben Regenmantel steckte die Hand in ihre rote Handtasche.
Gewagtes Outfit, dachte Daniel und prüfte noch einmal, ob seine Locken richtig saßen. Heute hatte er ein Casting und es durfte nichts schief gehen.

Warum geht der Kerl denn so komisch?, fragte sie sich. Er ist doch hier nicht aufm Laufsteg. Das Metall ihrer Schusswaffe war von ihrer Hand schon warm geworden. Jetzt war es Zeit, sie zu ziehen.

Zu gern würde er sich die Schnecke mal näher ansehen bei einem heißen Date, aber sie würde warten müssen.
Plötzlich griff sie ihm in die Haare und schnitt eine Strähne ab. Seinen Vertrag konnte er vergessen! Wenn er Pech hatte, flog er sogar aus der Agentur!
Weitere Gedanken braucht er sich nicht zu machen, denn die Regenmantelfrau tötete ihn mit einem auf der Stirn aufgesetzten Schuss.

Wörter: 272